Selten aber nicht allein - wir sind füreinander da
Diagnose SCN2A-Gendefekt

Ein SCN2A-Gendefekt ist eine seltene Erkrankung, aber ihr seid nicht allein!

Mit der Diagnose SCN2A-Genmutation beginnt ein neues und vollkommen unerwartetes Kapitel in eurer Familie. Aber ganz gleich, wie die Krankheit sich im Verlauf ausprägen wird, wichtig ist zu wissen, dass ihr nicht alleine damit seid. Nach Schätzungen geht man davon aus, dass ca. 11 von 100.000 Kinder mit einer durch eine SCN2A-Mutation verursachten Erkrankung auf die Welt kommen. In Deutschland haben wir nach wenigen Monaten an die 50 Familien gefunden und mit unserem Verein zeigen wir: „Wir sind hier!“. Wir unterstützen uns mit Tipps und Erfahrungen und sind füreinander da. In privaten Facebook- und WhatsApp-Gruppen (die nicht offizieller Teil des Vereins, sondern von engagierten Eltern organisiert werden) teilen wir Sorgen und natürlich auch schöne Momente unserer ganz besonderen kleinen Kämpfer. Und auf dieser Website und unserem Instagram-Kanal erklären wir allen, was eine SCN2A-Genmutation ist und dass in der Forschung viel passiert, um eines Tages sagen zu können: Wir haben SCN2A-bedingte Erkrankungen besiegt!

Im Folgenden möchten wir euch unsere Erfahrungswerte mitgeben und verweisen darauf, dass wir keine Ärzte sind und ihr jegliche medizinische Entscheidungen zur Therapie eurer Kinder immer mit dem behandelnden Arzt, der behandelnden Ärztin abstimmen müsst.


Diagnose Epilepsie

Vor allem, wenn das Kind epileptische Anfälle hat, sollte schnell gehandelt werden. Manche Anfälle sind schwierig zu erkennen. Es ist daher hilfreich, dem Arzt ein Video von den fraglichen Anfällen zu zeigen. Ein EEG wird aufzeigen, ob epileptische Potenziale im Gehirn nachweisbar sind. Und um eine Veränderung (Mutation) in dem Gen SCN2A als Ursache ausfindig machen zu können, ist ein Gentest aus dem Blut notwendig. Die Untersuchung darauf kann vom Arzt in einem sogenannten Epilepsie-Panel oder einer sog. Exom-Sequenzierung bei einem diagnostischen Labor in Auftrag gegeben werden. SCN2A wird dabei heutzutage standardmäßig mit getestet.

Treten die Anfälle in den ersten drei Monaten nach Geburt auf und die üblichen Standardmedikamente (wie z.B. Keppra) zeigen keine Wirkung, sollte der Gentest unbedingt auf den Weg gebracht werden. Bis das Ergebnis da ist, könnten Natriumkanalblocker (z.B. Phenytoin, Oxcarbazepin, Carbamazepin, Lamotrigin etc.) versucht werden. Zeigt sich hier bei höheren Medikamentenspiegeln im Blut eine gute Wirksamkeit in Form einer Anfallsreduktion, kann dies ein Hinweis auf eine SCN2A Mutation in Form einer Gain-of-Function/ Überfunktion sein. Natriumkanalblocker sind nicht die Standardbehandlung bei neonatalen (nicht durch SCN2A bedingten) Anfällen! Daher ist die frühe Diagnose so wichtig.

Zeigt sich jedoch eine Anfallserhöhung als Reaktion auf die Natriumkanalblocker, kann dies auf eine Loss-of-Function/ Unterfunktion hindeuten, die keinesfalls mit den o.g. Substanzen behandelt werden darf. Beobachtet euer Kind und sprecht mit eurem Neuropädiater, solltet ihr hier unsicher sein.

Treten die Anfälle erst später oder gar nicht auf, bekommen die Familien oft erst im Verlauf durch einen Gentest die Diagnose und somit auch Gewissheit.

Wenn ihr unsicher seid, schreibt uns gerne an und wir versuchen zu helfen, wo wir können. Das kann mit eigenen Erfahrungen oder Vermittlung von Experten sein.
 

Was bedeutet die Diagnose „SCN2A Gendefekt“?

Es gibt zwar einige Parallelen zwischen SCN2A-Kindern, aber eines muss immer im Kopf präsent bleiben: Mein Kind ist einzigartig. Denn alle Gene fügen sich zu einem Ganzen zusammen. Letztendlich wird jeder selbst der beste Experte für sein einzigartiges Kind werden.

Dank der Fortschritte der letzten wenigen Jahre können unsere SCN2A Kinder immer besser in Gruppen eingeordnet werden. Durch diese Gruppierung soll es möglich werden, die passenden, erfolgversprechenden antiepileptischen Medikamenten-Klassen zu identifizieren. Dadurch könnte dem Kind das bisher übliche kräftezehrende, manchmal jahrelange Ausprobieren von Medikamenten möglicherweise zu einem gewissen Teil erspart werden.

Ein Meilenstein ist hier die Veröffentlichung von Wolff et al. (2017). Durch diese Arbeit konnte herausgefunden werden, dass SCN2A-Patienten, bei denen die ersten Anfälle bereits vor einem Alter von 3 Monaten auftreten, eine Natriumkanalmutation haben, die zu einer gesteigerten Aktivität des Kanals führt (Gain-of-Function). Das heißt, hier können Natriumkanalblocker (siehe oben) als Therapie von Vorteil sein.

SCN2A-Patienten, bei denen die Anfälle erst nach drei Monaten auftreten und die oft zusätzlich eine Autismus-Spektrum-Störung aufweisen, haben häufig eine Art von Mutation, durch die der Kanal in seiner Aktivität reduziert wird (Loss-of-Function). Hier müssen andere Klassen von Antiepileptika verwendet werden, wie z.B. Levetiracetam oder Perampanel. 

Sollte der Arzt deines Kindes einen Natriumkanalblocker verschrieben haben und du  siehst eine Verschlechterung der Anfallssituation, dann ist es möglich, dass dein Kind eine Loss-of-Function Mutation hat. Sprecht hier mit dem behandelnden Neurologen über eine anderweitige Therapiemöglichkeit außerhalb der Klasse der Natriumkanalblocker und zieht die o.g. Studie hinzu, oder wendet euch an uns.

Im Verlauf

Je nach Auswirkung der Mutation werdet ihr im Verlauf für euer Kind eventuell Unterstützung aus verschiedenen Fachrichtungen benötigen. 

In der Regel arbeiten neuropädiatrische (kinderneurologische) Abteilungen und insbesondere Sozialpädiatrische Zentren (SPZs) auf eine multidisziplinäre Art, sodass hier verschiedene Fachrichtungen zusammengefasst oder zumindest koordiniert werden können. 

Für Kinder mit diagnostizierter Autismus-Spektrum-Störung bietet es sich an, Autismus-Zentren zur Beratung und Therapie aufzusuchen.

Autismus-Spektrum-Störungen

SCN2A-Kinder, deren erste epileptische Anfälle frühestens nach dem ersten Lebensjahr auftreten oder die keine Epilepsie entwickeln, haben häufig eine Autismus-Spektrum-Störung. Diese Kinder zeigen im Allgemeinen eine normale frühe Entwicklung (bis zu einem Alter von etwa 6 Monaten). Danach kann es zu motorischen und verbalen Verzögerungen kommen. Einige der Kinder entwickeln im Alter von 1 bis 4 Jahren Anfälle, die zu weiteren Entwicklungsverzögerungen führen können, insbesondere wenn die Anfälle schwerwiegend sind.

Der Name Autismus-Spektrum lässt bereits erahnen, dass hier viele Schweregrade und Auswirkungen möglich sind. Wir führen daher nur eine Auswahl an Merkmalen an, die häufig von Eltern berichtet wurden. Das heißt aber nicht, dass euer Kind genau diese Stereotypen oder Verhaltensmerkmale zeigen muss und trotzdem eine Autismus-Spektrum-Störung haben kann! 

Die Kinder haben zum Beispiel folgende Verhaltensmerkmale: Sie sind zum Teil ruhig und genießen Körperkontakt; es gibt aber auch autistische SCN2A-Kinder, die zu einem sogenannten "Meltdown" neigen, einer Reaktion auf Reizüberflutung, und in diesem Moment manchmal sogar sich selbst oder ihre Umgebung verletzen können. Eltern berichten auch häufig, dass ihre Kinder Handlungen wie das Kauen von Gegenständen oder Handgesten wiederholen; sie stellen selten soziale Interaktionen her oder nehmen Blickkontakt auf; sie vermeiden Handkontakt mit Menschen oder neuen Gegenständen. Die motorischen Fähigkeiten scheinen weniger verzögert zu sein als die sozialen Fähigkeiten. Daher wirken SCN2A-Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung auf den ersten Blick häufig ganz normal. Aber gerade das stellt für diese Familien eine große Herausforderung dar, denn das Verhalten weicht häufig vom normalen Erscheinungsbild ab und die Umwelt reagiert mit Unverständnis, das nicht spurlos an den Eltern und Kindern vorübergeht. Wir möchten euch ermutigen Kontakt zu uns aufzunehmen, damit wir uns gegenseitig austauschen, weiterhelfen und nach Lösungen für eine informierte Gesellschaft suchen können.

Im Allgemeinen weisen die SCN2A Kinder mit Autismus-Spektrum-Störung einen Funktionsverlust des Natriumkanals auf.

Quellen:
- Natural History Studies and Clinical Trial Readiness for Genetic Developmental and Epileptic Encephalopathies. Palmer Elizabeth E et al.; Neurotherapeutics, Oct. 2021, 18, 1432-1444
- Genetic and phenotypic heterogeneity suggest therapeutic implications in SCN2A-related disorders. Wolff Markus et al. Brain. 2017 May 1;140(5):1316-1336
- Progress in Understanding and Treating SCN2A-Mediated Disorders. Sanders, Stephan J et al.; Trends in Neurosciences, July 2018, Vol. 41, No. 7
 

Schaut euch auch gerne das Video des SCN-Portals zu "Was ist SCN2A" an. Und wünscht ihr eine Aufnahme in unsere private WhatsApp-Gruppe, kontaktiert uns gerne!

Auf SCN2A spezialisierte Ärzte in Deutschland/ Schweiz

Zu den in Deutschland und der Schweiz auf die SCN2A-Genmutation spezialisierte Ärzte zählen:

Dr. med. Walid Fazeli
Komm. Leiter der Abteilung Neuropädiatrie und SPZ, Universitätsklinikum Bonn

Dr. med. Markus Wolff
Leitender Arzt an der Klinik Lengg in Zürich und im Zentrum für Sozialpädiatrie und Neuropädiatrie (DBZ), Vivantes Klinikum Neukölln in Berlin

Prof. Holger Lerche, ärztlicher Direktor der Tübinger Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie und am Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung der Universität Tübingen

SCN2A Verlaufsstudie "Natural History Study"

Im Folgenden zeigen wir euch die ersten Ergebnisse einer großen SCN2A-Verlaufsstudie in einem Diagramm dargestellt. Für diese Studie wurden Eltern von SCN2A Kindern in mehreren Ländern (auch in Deutschland) zu medizinischen Themen und zur Entwicklung ihres Kindes befragt. Hier konnten nun erstmals die sehr verschiedenen Ausprägungen von SCN2A Mutationen in spezifischeren Gruppen dargestellt werden.

Die Tabelle zeigt eine statistische Zusammenfassung der möglichen Ausprägungen. Das heißt, im Einzelfall kommen die aufgeführten Symptome zwar häufig vor, sie müssen aber nicht zwangsläufig bei jedem Kind auftreten.

An dieser Studie könnt ihr auch aktuell mit eurem Kind teilnehmen. Wir ermutigen euch sehr dazu, dies zu tun!

KONTAKT: Dr. Walid Fazeli und Dr. Daniel Bamborschke, SCN2A-kinderneurologie@ukbonn.de

 

Abbildung: Tabellarische Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse der SCN2A-Verlaufsstudie (aus dem Englischen übersetzt). Aus: Natural History Studies and Clinical Trial Readiness for Genetic Developmental and Epileptic Encephalopathies. Palmer Elizabeth E et al.; Neurotherapeutics, Oct. 2021, 18, 1432-1444. Figure 1.

G.B. Geistige Behinderung
GI.: Gastrointestinal (Magen-Darm-betreffend)

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